Die Dolchstoßlegende war eine Verschwörungstheorie, die zur Zeit der Weimarer Republik aus dem deutschnational gesinnten Umfeld und der extremen Rechten verbreitet wurde.
Sie besagt, dass das deutsche Heer im Weltkrieg "im Felde unbesiegt" gewesen sei und dass vielmehr die Novemberrevolution von 1918 ein "Dolchstoß von hinten" gewesen sei. Die Novemberrevolutionäre wurden in diesem Zusammenhang oft als "Novemberverbrecher" oder Verräter beschimpft.
Der Begriff geht auf die Neue Zürcher Zeitung vom 17. Dezember 1918 zurück, in welcher der britische General Maurice wie folgt zitiert wurde:
- "Was die deutsche Armee betrifft, so kann die allgemeine Ansicht in das Wort zusammengefasst werden: Sie wurde von der Zivilbevölkerung von hinten erdolcht."
Die Oberste Heeresleitung, die den Krieg verloren hat, scheint dieses Zitat genutzt zu haben um sich vom Vorwurf des verlorenen Krieges rein zu waschen. Erich Ludendorff und Paul von Hindenburg sagten am 18. November 1919 vor einem Untersuchungsausschuss der Volksversammlung dazu aus, letzterer sagte:
- "Ein englischer General sagte mit Recht: Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden. Wo die Schuld liegt, ist klar erwiesen."
Zu beachten ist, dass anderseits die gleichen Generäle schon vor Ende des Krieges und vor dem Novemberaufstand den Kaiser um Waffenstillstandsverhandlungen gebeten hatten, weil sie die militätische Lage nach dem Kriegseintritt der USA als aussichtslos einstuften.
Walter Rathenau[]
Ludendorff richtete eine Schuldzuweisung auch direkt gegen eine Person:
- "Ich muß einen Ausspruch Walther Rathenaus wiedergeben, in dem er etwa sagt, an dem Tag, wo der Kaiser als Sieger mit seinen Paladinen auf weißen Rossen durch das Brandenburger Tor einziehen würde, hätte die Weltgeschichte ihren Sinn verloren. Es waren also Ströhmungen im Volk vorhanden, die nicht die Ansicht der Obersten Heeresleitung vertraten, daß wir auf den Sieg kämpfen müßten, und diesen Strömungen mußten wir Rechnung tragen"
Dies rückte Rathenau, der schon durch seine jüdische Abstammung im Kaiserreich belastet war, in das Bild eines "Novemberverbrechers". Rathenau hatte bereits am Anfang des Krieges an einem Sieg gezweifelt. Als Mann der Wirtschaft war ihm bewusst, dass wenn der Krieg nicht schnell zu Ende gehen würde, Deutschland von wichtigen Rohstoffen abgeschnitten und nicht lange aushalten würde, weshalb er sich für die Einrichtung eines "Rohmaterialamtes" einsetzte. Der Kriegsminister von Falkenhayn errichtete daraufhin eine Kriegsrohstoffabteilung im preußischen Kriegsministerium, die Rathenau bis März 1915 leitete. Rathenau war Gegner des uneingeschränkten U-Boot-Krieges, der zum Kriegseintritt der USA führte. Als Ludendoff im Oktober 1918 um einen Waffenstillstand ersuchte, kritisierte dies Rathenau entschieden:
- "Der Schritt war übereilt. Wir wollen Frieden [...] Nun hat man sich hinreißen lassen, im unreifen Augenblick, im unreifen Entschluß. Nicht im Weichen muss man die Verhandlungen beginnen, sondern zuerst die Front befestigen. [...] Die Antwort wird kommen. Sie wird unbefriedigend sein; mehr als das: zurückweisend, demütigend, überfordernd. [...] Die nationale Verteidigung, die Erhebung des Volkes muß eingeleitet, ein Verteidigungsamt eingerichtet werden. [...] Einer erneuten Front werden andere Bedingungen geboten als einer ermüdeten. Wir wollen nicht Krieg, sondern Frieden. Doch nicht den Frieden der Unterwerfung"
Rathenau wurde am 24. Juni 1922 von Mitgliedern der nationalistischen Organisation Consul ermordet.