Am Abend des 27. Juni 1980 stürzte nördlich der italienischen Insel Ustica eine DC-9 (I-TIGI) der italienischen Gesellschaft Itavia aus bislang nicht sicher geklärten Gründen ins Mittelmeer.
Das zivile Flugzeug war mit Flugnummer IH870 auf dem Wege von Bologna nach Palermo. Der Start verspätete sich um zwei Stunden. Um 20:59 Uhr wurde das letzte Transpondersignal der Maschine aufgezeichnet, Radarechos verschwanden innerhalb von zwei Minuten. Zwei militärische F-104S des 4? Stormo stiegen vom Militärflugplatz Grosseto kurz nach 21:00 auf, um die Absturzstelle zu finden, was ihnen jedoch nicht gelang. Mit dem Absturz der Itavia - Maschine hängt auch möglicherweise der Absturz einer libyschen MiG-23 über Kalabrien zusammen, die offenbar am gleichen Tage in einem abgelegen Gebiet (Sila-Gebirge des Aspromonte) abstürzte, jedoch erst am 19. Juli 1980 entdeckt wurde.
81 Menschen starben bei diesem Flugzeugunglück, das als "strage di Ustica" (das Ustica-Blutbad) in Italien bekannt wurde.
Der Rumpf des Flugzeuges wurde 1987 von dem bemannten Unterseeboot Nautile des französischen halbstaatlichen Unternehmens Ifremer aus 3500 Meter Tiefe gehoben und die Überreste wurden untersucht. Die "black-box" wurde erst 1991 gefunden und geborgen. An geborgenen Überresten des Flugzeuges wurden später Spuren des militärischen Sprengstoffs T4 gefunden.
Auch viele Jahre nach dem Absturz konnte der genaue Hergang des Absturzes nicht rekonstruiert werden. Verschiedene Gutachten schlossen in der Folge ein Auseinanderbrechen der Maschine durch Alterung aus. Ein erstes Gutachten kam im März 1989 zum Schluss, dass das Flugzeug durch eine Luft-Luft Rakete irrtümlich abgeschossen wurde. Diese Ansicht wurde durch eine staatliche Untersuchungskommission im gleichen Jahr bestätigt. 1990 kam eine Minderheit der Gutachter zu dem Ergebnis, dass es zu einer Explosion durch eine Bombe im Inneren der Maschine gekommen sei. Aufgrund von Falschaussagen kam es in der Folge zu Prozessen und Verurteilungen verschiedener Offiziere (auch mehrere Generäle) der italienischen Luftwaffe und des italienischen Geheimdienstes SISMI, da nachgewiesen werden konnte, dass diese wichtige Informationen zurückhielten oder falsche Angaben machten. Die Untersuchungskommission "commissione stragi" des italienischen Parlamentes beklagte in diesem Zusammenhang auch Falschaussagen und das Zurückhalten von Informationen durch staatliche Stellen. 1994 kam ein zweites Gutachten mehrheitlich zu dem Ergebnis, dass es sich um eine Bombenexplosion im Inneren des Flugzeuges gehandelt habe; eine Minderheit der Gutachter sah hingegen eine Rakete als Ursache an. Im Rahmen der zweiten Untersuchung konnte zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass sich, anders als behauptet wurde, militärische Flugzeuge im Absturzgebiet aufhielten. Zum Zeitpunkt des Absturzes gab es offenbar Einsätze von NATO-Flugzeugen oder französischen Flugzeugen im tyrrhenischen Meer. Radardaten lassen auf neun Jagdflugzeuge schließen.
Auf einem der wenigen erhalten gebliebenen beschlagnahmten Magnetbänder (die meisten anderen Bänder waren durch Löschungen oder abgeschaltete Aufzeichnung unbrauchbar) einer zivilen Radaranlage wurden Radarechos eines sich sehr rasch bewegenden Objektes erkennbar, das sich dem Flugzeug aus Richtung Westen näherte, eines der Jagdflugzeuge soll westlich parallel zur DC9 geflogen sein, um kurz vor dem Absturz nach Osten abzubiegen. Medienberichten bezüglich 1997 veröffentlichter Radaraufzeichnungen der NATO zur Folge befanden sich sieben Kampfflugzeuge nahe der Absturzstelle bei Ustica. Außerdem sollen sich ein oder zwei libysche MiG-23 im Radarschatten von Flug IH870 zu verstecken versucht haben.
Verschwörungstheorie[]
Anschlag auf Gaddafi[]
Nach einer Theorie galt der Angriff der Maschine des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi, der zur gleichen Zeit in einer Maschine ähnlichen Typs (Tupolew 124) über Süditalien unterwegs war. Gaddafi selbst beschuldigte im September 2003 die USA, versucht zu haben, ihn umzubringen.
Gaddafi befand sich damals auf der Rückreise von einem Staatsbesuch in der UdSSR und war bekanntlich der US-Regierung ein Dorn im Auge. Zur selben Zeit patrouillierte ein US-Flugzeugträger im Mittelmeer, welcher mehrere Abfangjäger auf die Maschine von Gaddafi, entweder eine Tupolew oder eine Hercules, ansetzte um diese abzuschießen. Libyen erfuhr jedoch über einen Kontaktmann in Rom von den Plänen und leitete die Maschine nach Malta um, parallel wurden einige MiG-23 zum Schutz Gaddafis in den Luftraum beordert.Artikel in der Jungen Welt: 13 tote Zeugen
vergleiche: Pan American Flug 103, Anschlag auf die Diskothek La Belle
friendly fire[]
Eine andere Theorie geht davon aus, dass zwei libysche MiGs auf dem Weg nach Kroatien waren. Um die Flugstrecke abzukürzen flogen beide unerlaubt über italienisches Gebiet.
Diese MiGs erschienen natürlich auch auf dem Radar der italienischen Luftraumüberwachung, welche nun einige Abfangjäger alarmierte. Es folgte ein Luftgefecht, bei dem sich entweder eine MiG-23 oder die Maschine von Gaddafi dem Itavia Flug 870, einem DC-9-Passagierjet, annäherte. Die Luft-Luft-Rakete, die entweder von amerikanischen oder italienischen Flugzeugen auf eines der libyschen Flugzeuge abgefeuert wurde, griff daher versehentlich die DC-9 an und schoss diese ab. So wurde es im Untersuchungsbericht, der 1990 veröffentlicht wurde, abgedruckt. Der beauftragte Richter Priore zog damals folgendes Fazit: "Wir wissen, dass die DC-9 abgeschossen wurde. Wir wissen, dass das im Rahmen eines NATO-Manövers geschah. Aber wir wissen noch nicht, wer den Knopf drückte, der die DC-9 vom Himmel holte."
Eine MiG-23 zerschellte später, wohl aus Treibstoffmangel, an Bergen in Kalabrien. Ihr Wrack wurde Wochen nach dem Abschuss der DC-9 von der italienischen Luftwaffe entdeckt und geborgen.
Tote Zeugen[]
In den Ermittlungen, die direkt nach dem Absturz der DC-9 eingeleitet wurden, leugneten die Militärs zunächst alle Verbindungen. Geheimdienste wie Militär behinderten gar die Ermittlungen, weswegen 1999 der mit dem Fall beauftragte Ermittlungsrichter Anklage gegen einige Offiziere erhob. Erst als 1987 Teile des Wracks der Maschine geborgen und untersucht wurden, stand zweifelsfrei fest, dass eine Rakete die Maschine abgeschossen hatte. Es folgte eine umfangreiche Untersuchung des Abschusses, in welcher es zu mehr oder weniger mysteriösen Todesfällen kam, meist bevor die Zeugen eine offizielle Aussage machen konnten und nachdem sie vage Andeutungen gegenüber Vorgesetzten und Medien getätigt hatten:
Sechs Wochen nach dem Absturz kam der Kommandeur der Luftwaffenbasis Grosseto, Giorgio Teodoldi, bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Von dieser Basis stiegen am Abend des 27. Junis die Abfangjäger auf, um die libysche MiG zu bekämpfen. Am 9. Mai 1981 starb Hauptmann Maurizio Gari an Herzversagen. Er war zu diesem Zeitpunkt 32 Jahre alt und an jenem Abend diensthabender Offizier in der Radarstation von Poggio Ballone bei Grosseto.
Im März 1987 kam General Licio Giorgieri ums Leben; er wurde von einem sogenannten "Terrorkommando Unit? Comuniste Combattenti" erschossen. Wie später ans Licht kam, wurde der Anführer des Mordkommandos vom Innenministerium bezahlt. Der General war Radarexperte und Mitglied des Radarstabes der italienischen Luftwaffe. In der Absturznacht führte Giorgieri jedoch einen für seinen hohen Rang ungewöhnlichen Auftrag aus: über dem Luftraum von Ustica kommandierte er eine PD 808, ein Spezialflugzeug für elektronische Kriegführung mit umfangreicher Radarausrüstung.
Ebenfalls im Mürz 1987 starb Feldwebel Alberto Dettori. Er war Kamerad von Hauptmann Gari. Er wurde erhängt an einem Baum aufgefunden. Luftwaffenfeldwebel Ugo Zammarelli kam 1988 mit seiner Freundin bei einem Motorradunfall ums Leben. Er gehörte zu einer Untersuchungsgruppe, die den Absturz der libyschen MiG recherchierte.
Ebenfalls 1988 kamen schließlich die Piloten Nutarelli und Naldini beim Flugtagunglück von Ramstein ums Leben - jene Piloten, die 1980 in italienischen Abfangjägern saßen und ebenfalls im Luftraum waren. Ob sie die Jäger flogen, die direkt am Luftkampf beteiligt waren, oder nur zufällig zu Übungszwecken in der selben Gegend waren (was nichts ungewöhnliches wäre), ist nicht bekannt. Beide sollten kurz nach dem Flugtag in Ramstein ihre Aussage vor dem zuständigen Ermittlungsgericht tätigen.
Es folgten bis in die 90er Jahre noch weitere Todesfälle von Beteiligten an dem Abschuss des Fluges 870. Insgesamt starben 15 Zeugen, meist kurz bevor sie offizielle Aussagen tätigen konnten. Darunter der Arzt von Nutarelli und Naldini sowie der im Juni 1980 zuständige Fluglotse der zivilen italienischen Luftraumkontrolle, die beide Selbstmord begingen. 1991 wurde Unteroffizier Muzio erschossen, Offizier Marcucci wurde ebenfalls ermordet. Gegenüber Journalisten hatte er die Verwicklung des Luftwaffengeheimdienstes SIOS-Aeronautica und seines Chefs, General Zeno Tascio, persönlich im Zusammenhang mit dem Abschuß der Passagiermaschine erwähnt.TV-Bericht im Magazin EX!
Was das Flugtagunglück von Ramstein betrifft, lassen die Verschwörungstheoretiker Erklärungen zu vielen wesentlichen Fragen vermissen - unter anderem dazu, wie ein solches Unglück inszeniert worden sein soll, warum die Piloten nicht auf einfachere Art getötet worden sein sollen, und nicht zuletzt, warum man volle acht Jahre gewartet haben soll, bis man sie beseitigte.
siehe auch[]
Literatur[]
- Regine Igel: Andreotti. Politik zwischen Geheimdienst und Mafia. Herbig, M+nchen 1997, ISBN 3-7766-1951-1
- Luigi Di Stefano: Il Buco. Scenari di guerra nel cielo di Ustica. Vallecchi, 2005
- Vincenzo Ruggiero Manca: Ustica, assoluzione dovuta, giustizia negata. Edizioni Koin?, 2007